Einladung zur Vernissage
Am 28.05.1999 um 19 Uhr

Bilderzyklus „ANIMA FEMINAE" von Elisabeta Wilken

Begrüßung

und Anmerkungen zur Ausstellung
Prof. Dr. med. V. Barth
Chefarzt des Radiologischen Zentralinstituts der Städtischen Kliniken Esslingen / Neckar
Dauer der Ausstellung 28.05-9.07.1999
Einführung zur Ausstellung des Bilderzyklus

ANIMA FEMINAE
von Elisabeta Wilken

anläßlich der Vernissage im der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Dres. Arnold, Priv.-Doz. König, Tremmel am 28. Mai 1999

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

da ich bisher nur Teile des Werkes von Elisabeta Wilken anlässlich des letztjährigen Deutschen Senologen-Kongresses in Düsseldorf kennenlernen konnte, möchte ich zunächst einmal „fremd gehen" und im Sinne geistigen Diebstahls referieren, was zum Beispiel Prof. Dr. Hubertus von Puttkamer in Berlin im Januar diesen Jahres anläßlich einer Ausstellung im Kaiserin -Friedrich-Haus in Berlin zu dem Werk mitgeteilt hat und dazu einige Kommentare aus der Presse wiedergeben: „ANIMA FEMINAE" - ÜBER DIE LEBENSKRAFT DER FRAUEN" oder „Über die Seele des Weiblichen" hat Elisabeta Wilken ihren Bilderzyklus genannt, den Sie hier in den Räumlichkeiten einer Radiologischen Gemeinschaftspraxis gezeigt wird.
Es mag Sie vielleicht verwundern, daß eine solche Ausstellung, die im wesentlichen das Innere des Menschen tangiert, in einer Radiologenpraxis zu sehen ist, wo doch im wesentlichen technische Untersuchungen durchgeführt werden und man auf die Seele des Menschen scheinbar weniger Rücksicht genommen wird.
Nun - so von Puttkamer - in der langen Entwicklung unserer Kulturgeschichte mit allen ihren wertvollen - auch technischen - Errungenschaften sind auch entscheidende Defizite untrennbar einhergegangen, von denen Puttkamer eines für besonders schwerwiegend hält und unter dem Begriff „Verlust des menschlichen Eingebundenseins in die Natur" zusammenfaßt
ANIMAE bedeutet, Seele, Seelenkraft, Innenleben, Psyche des Weiblichen. Animus = „Auswirkungen auf das Bewußtsein, hervorgerufen durch fühlbare Magie. Als eine der daraus entstehenden Folgen dieser zunehmende Naturentfremdung sei eine wachsende Spaltung zu beobachten. Und zwar eine Spaltung, die sich zwischen überdecktem und verdrängtem Innen des Menschen und dem des Mythos völlig entkleideten und der Natur nur noch verdeckt verbunden Aussen auftut.
Der totale Sieg der Naturwissenschaften und der in ihrem Schleptau triumphierende und in allen äußeren Lebensbereiche verändernde technologische Fortschritt erweise sich so bei näherem Hinsehen als teuer erkauft. Es sei deshalb nicht verwunderlich, daß es heute bei vielen Menschen immer wieder zu Verunsicherungen und Verstörungen kommt, sobald Künstler versuchen, den medizinischen Alltag mit seiner naturwissenschaftlichen Denkweise in gefühlsbetonte Subjektivbilder umzusetzen.
Dies konnte ich anläßlich des diesjährichen Österreichischen Senologenkongresses beobachten, wo ich in der Sitzung über die Diagnostik und Behandlung von Brustkrebs den Film von Elisabeta Wilken zeigte. Die Reaktion wäre für mich überraschend. Die wenigstens konnten auf Anhieb mit diesem gefühlbetonten Video-Film etwas anfangen. Man muß sich tatsächlich freimachen von naturwissenschaftlichen Denkweisen und sich hinein versetzen in die Mythik und in die Gedankenwelt des Weiblichen, in das Seelenleben der eigenen Person., um diese Bilder und auch den noch zu zeigenden Videofilm begreifen und erleben zu können.

Unter diesem Gesichtspunkt erhalten die Arbeiten des Bilderzyklus „ANIMA FEM1MAE" mit ihren symbolischen Traum-Assoziationen eine wichtige Bedeutung, da sie genau an diesem Defizit „Verlust des Mythischen" ansetzen.
Es ist sicherlich immer ein schwieriges Wagnis, sich den „Inhalten des Unbewußten" auf dereinen Seite und den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, so z.B der modernen Mammadiagnostik auf der anderen Seite zu überlassen. Für einen Künstler bedeutet dies nichts anderes als:
„Dasjenige, was einen gestaltet, selbst wiederum zu gestalten" Im Bilderzyklus ANIMA FEMINAE geht es um ästhetische Abstraktionen des Weiblichen, um eine Rückführung auf die verlorengegangene archaisch-mythische Bedeutung, beispielsweise als
- „Priesterin / Schamanin (in ihrer Beziehung zur Magie)"
- „als Sirene" (als Inkarnation der weiblich-zerstörerischen llusionen)"

In den Bildern von Elisabeta Wilken sind die dargestellten Frauen zu rätselhaften Zwischenwesen geworden und sind damit erstmals nichts anderes als Ausdruck ihrer Diese Frauenfiguren haben ihre Funktionen als überstrapaziertes Symbol in der un s heute ständig umgebenden Darstellung des Gebrauchswertes des Femininen, wie z.B. gerade in der Werbung, zu beobachten völlig verloren, -ja mehr noch, sie stehen geradezu in antipodischen Verhältnissen hierzu!
Anstelle vordergründig sexualisierter, oberflächenglänzender Versprechungen steckt in diesen „bearbeiteten Fotografien" eine gänzlich andere weibliche Botschaft: Als Folge der in den Bildern angestrebten Re-Mythologisierung erreichen den Betrachter verschlüsselte Botschaften aus der „Welt des Dunklen", mit Beschreibungen von: Schmerz und Angst, von Einsamkeit, vom Ausgeliefertsein, Situationen, die die schmerzlichen Selbsterfahrungen der Künstlerin im Umgang mit ihrer an Brustkrebs erkrankten Freundin Christiane widerspiegeln.
In vielen Bilder wirken die Gesichter nach innen gekehrt; sie scheinen in ihrer eigenen Realität eingefroren zu sein und von der Aussenwelt keine Notiz nehmen zu wollen und überlassen so den Betrachter seinen eigenen Urbildern und Intuitionen, die dieser neu für sich deuten und nachempfinden muß. Franz Marc formulierte es einmal sehr treffend:
„Kunst ist die Sehnsucht, das Sein hinter den flachen Erscheinungen zu erkennen.
Die Zeitung „Der Tagesspiegel" schreibt zu der Ausstellung unserer Künstlerin in der Kaiserin-Friedrich-Stiftung in Berlin: „Der Frauenkörper erfährt in unserer Konsumgesellschaft immer mehr eine Symbolisierung, Industrie und Werbung machen ihn zum Ideal für Fitness und Dynamik, die Gesichter werden austauschbar Elisabeta Wilken thematisiert in ihren Fotos und Videografien diese Spaltung vom eigentlichen Sinn des Weiblichen. Ihre Frauen sind die Priesterinnen und Sirenen, die sich ihrer Eingebundenheit in die Natur bewußt sind. Herausgerissen aus dem Auge des Betrachters, werden aus ihnen Wesen einer höheren Ordnung, die in ihrer Ursprünglichkeit verwirren können. Doch gerade dieses Chaos kann uns vielleicht wieder bereit machen für die Bindung zwischen innen und Aussen, von Seele und „Umwelt", die uns schon so lange abhanden gekommen ist".
Als ich die Bilder von der Künstlerin in Düsseldorf erstmals sah, habe ich sie spontan eingeladen, ihre Bilder bei uns einen Monat lang auszustellen. Diejenigen unter Ihnen, die Freunde und Bekannte mit Interesse an der Thematik haben und heute nicht dabei sein können, sind herzlich eingeladen, uns in den nächsten Wochen zu besuchen.

Ich wünsche der Ausstellung eine gute Aufnahme und Gutes Gelingen und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und unserer Künstlerin für ihre persönliche und künstlerische Zukunft von Herzen alles Gute.

Prof. Dr. Hubertus von Puttkamer
Berlin, im Januar 1999

 

Einführung zu der Ausstellung des Bilderzyklus
ANIMA FEMINAE

von Elisabeta Wilken

anläßlich der Vernissage im Kaiser-Friedrich-Gebäude am 15 Januar 1999

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

„ANIMA FEMINAE" - „ÜBER DIE LEBENSKRAFT DER FRAUEN" oder „Über die Seele des Weiblichen" , hat Elisabeta Wilken ihren Bilderzyklus genannt, der ab heute / hier in den wunderschönen Räumlichkeiten des Kaiser-Friedrich-Hauses gezeigt wird. Gestatten Sie mir ein paar Anmerkungen zu diesen Bildern und ihrem Umfeld:
In der langen Entwicklung unserer Kulturgeschichte / mit all ihren wertvollen Errungenschaften / sind auch entscheidende Defizite untrennbar einhergegangen - von denen ich eines für besonders schwerwiegend halte / und was sich etwa unter dem Begriff
„Verlust des menschlichen Eingebundenseins in die Natur" zusammenfassen liesse.

Als eine der daraus entshenden Folgen dieser zunehmenden Naturentfremdung ist eine wachsende Spaltung zu beobachten. Und zwar eine Spaltung, die sich zwischen überdecktem und verdrängtem INNEN des Menschen -und - dem des Mythos völlig entkleideten und der Natur nur noch verdeckt verbundenem AUSSEN auftut.
Der totale Sieg der Naturwissenschaften und der in ihrem Schlepptau triumphierende / und alle äußeren Lebensbereiche verändernde / technologische Fortschritt erweist sich so bei näherem Hinsehen / teuer erkauft, resultierend in einer Spaltung zwischen subjektiver Erfahrung sowie deren Verarbeitung - und - der äußeren Wahrnehmung von - WELT !
Einer Welt, die zunehmend mit dem instrumentalisierenden Begriff "Um-welt" belegt wird, wobei schon diese
Neubenennung als bestätigendes Argument für die stattgefundene Trennung dienen mag.
Daher ist es nicht verwunderlich, daß es heutzutage bei vielen Menschen immer wieder zu Verunsicherungen und Verstörungen kommt, sobald Künstler versuchen, der „alten Innerlichkeit" / und damit einer geschlossenen, monistischen Weltauffassung - mit ihrer elementaren Einbeziehung einer natürlich auch als mythisch aufzufassenden Natur - in ihren Arbeiten eine konkrete Form zu geben.

So mag sicherlich auch der / überall zu beobachtende, wachsende Drang zur Esoterik, mit ihren selbsternannten und modisch wechselnden Heilslehren, als Ausdruck eines solchen kollektiven Bestrebens gewertet werden, der als bedrohlich empfundenen Trennung von INNEN und AUSSEN zu entgehen.
Die hier beklagte Spaltung trennt uns Europäer auch nicht nur von unseren eigenen Ursprüngen, sondern auch von den uns zeitlich parallel liegenden nicht-europäischen Kulturen, die dem mythisch-subjektiven Leben durch entsprechende Rituale und Zermonien und ihren geschlossenen kosmogenischen Systemen / Materialität und damit individuelle Erfaßbarkeit verleihen. Unter diesen Gesichtspunkten erhalten die Arbeiten des Bilderzyklus „ANIMA FEMINAE" mit ihren symbolischen Traum-Assoziationen eine wichtige Bedeutung, da sie genau an diesem Defizit -"Verlust des Mythischen" / ansetzen.

In seinem Buch „Psychologie und Religion" schreibt C.G. JUNG (Zitat):
„Das geistige Abenteuer unserer Zeit ist die Auslieferung des menschlichen Bewußtseins
an das Unbestimmte und Unbestimmbare"
Für JUNG bildet dabei die Fähigkeit der Seele mittels der Archetypen, Inhalte und Bilder zu erschaffen eine wichtige Grundlage, wobei diese inneren Bilder der Seele - die „Traum-Dichtungen" - die Basis der Beziehung zum „eigenen Verborgenen" bilden. Jung dazu weiter:
"Es ist vielleicht zu weit gegangen, von einem Verwandschaftsverhältnis zu sprechen,
aber auf alle Fälle muß die Seele eine Beziehungsmöglichkeit, d.h. eine Entsprechung
zum Wesen Gott in sich haben, sonst könnte ein Zusammenhang nie zustande kommen"

Und dann später weiter mit Bezug auf GOETHE:
"denn so wie das Auge der Sonne entspricht,
so entspricht die Seele dem Göttlichen."

In diesem Sinne bedeutet es immer ein schwieriges Wagnis, sich einerseits den „Inhalten des Unbewußten" zu überlassen, sich aber andererseits / dennoch zu behaupten, - was für einen Künstler nichts anderes bedeutet, als dasjenige , was einen gestaltet, selbst wiederum zu gestalten.
Hier liegen nach JUNG Weg und Aufgabe des modernen Menschen im allgemeinen und des Künstlers respektive der Künstlerin im besonderen. Der Ansatz zum Verständnis solcher Werke liegt nun sicherlich darin, daß die Erfahrungen des numinosen Unbewußten / dabei sowohl kollektiver Natur sind, als auch - zugleich und gerade - Teil des Persönlichsten und Intimsten!!! Und mit Hilfe diesen dualen Charakters ergibt sich auch hier für den Betrachter, eine Möglichkeit des Zuganges zu den Bildern von Elisabeta Wilken :

Der Titel des Bilderzyklus- „ANIMA FEMINAE" - sollte hier allerdings nicht nur im strengen JUNGschen Sinne gedeutet werden, also etwa als „Archetypus des Seelenlebens und der Weiblichkeit im Unbewußten des Mannes",
sondern muß wohl eher in seiner lateinischen Urbedeutung als „Seele, Seelenkraft, Innenleben , Psyche des Weiblichen" allgemein verstanden werden.
In „ANIMA FEMINAE" geht es um ästhetische Abstraktionen des Weiblichen, um eine Rückrührung auf die verlorengegangene archaisch mythische Bedeutung, beispielsweise als Priesterin/Schamanin (in ihrer Beziehung zur Magie), als Sirene (als Inkarnation der weiblich-zerstörerischen Illusionen) .

In diesen Bildern sind die dargestellten Frauen zu rätselhaften Zwischenwesen geworden und sind damit erstmal nichts anderes als Ausdruck ihrer selbst. Diese Frauenfiguren haben ihre Funktion als überstrapaziertes
Symbol in der uns heute ständig umgebenden Darstellung des Gebrauchswertes des Femininen,
- wie z.B. gerade in der Werbung zu beobachten - völlig verloren. Ja mehr noch, sie stehen geradezu in antipodischen Verhältnis dazu !
An Stelle vordergründig sexualisierter, oberflächenglänzender Versprechungen steckt in diesen „bearbeiteten Fotografien" - in scheinbarer Verrätselung von scheinbar Vertrautem - eine gänzlich andere weibliche Botschaft:
Als Folge der in den Bildern angestrebten Re-Mythologisierung erreichen den Betrachter verschlüsselte Botschaften aus der "Welt des Dunklen", mit Beschreibungen von : Schmerz und Angst, von Einsamkeit, vom Ausgeliefertsein,
Situationen, die die schmerzlichen Selbsterfahrungen der Künstlerin widerspiegeln.

In vielen Bildern wirken die Gesichter nach innen gekehrt. Sie scheinen in ihrer eigenen Realität eingefroren zu sein und von der Aussenwelt keine Notiz nehmen zu wollen, und überlassen so den Betrachter seinen eigenen Ur-Bildern und Intuitionen, die dieser neu für sich deuten und nach-empfinden muß.
Franz Marc formulierte es einmal sehr treffend so:
„Kunst ist die Sehnsucht, das Sein hinter den flachen Erscheinungen zu erkennen/'

Z.Z.,. läuft im Dahlemer „Museum für Völkerkunde" Frau Wilkens sehr sehenswerter Videofilm „Wege nach Innen",
in dem sie die Stationen und den Wanderweg des hochrangigen, buddhistischen Mönches TERANANDA bei seinen Besuchen von Klöstern auf Sri Lanka mit der Kamera begleiten durfte, was für sie persönlich eine ungeheuer wichtige Erfahrung und Bereicherung bedeutete.

Ihr vorletztes Ouvre finden Sie heute auch hier im Hause/:

Im 2.Stock ist ein großer Teil des Zyklus : „Längst vergangene Tugenden" ausgestellt. Dieser erstmals 1997 in den Räumen der Berliner „Konrad-Adenauer-Stiftung" gezeigte Zyklus, der sowohl großformatige Fotografien, als auch eine Videoarbeit einschließt, befaßt sich mit eindrucksvollen Portraits und der Darstellung des schlichten Alltages junger, orthodoxer Nonnen in einem einsamen Bergklosters in ihrer rumänischen Heimat.

So unterschiedlich, die beiden hier gezeigten Themenkreise auf den ersten Blick auch sein mögen, so sind sie dennoch beide in demselben Bestreben verwurzelt, das oben zitierte „Sein hinter den Dingen" zu erfassen, oder wie Paul Klee es einmal ausdrückte: „das geheim (!) Erschaute". - auch mitteilbar zu machen.
Beide Zyklen zeigen Facetten einer Künstlerin, die - ausgestattet mit einer hoher Sensibilität -, ihre verborgenen Welten in eine Bildersprache übersetzt, auf die es lohnt, sich einzulassen !!!!

Ich wünsche dieser Ausstellung eine gute Aufnahme und gutes Gelingen ,
und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit !

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